Für Freitag, den 5. Mai 2017 lädt WkiWk ein zur „Teatime“ um 17 Uhr, Ev. Gemeindehaus Markt, – zum Austausch für Unterstützer in der Flüchtlingsarbeit. Das Gespräch steht unter dem Thema: „Kultureller Respekt oder: Wie weit muss Intergration gehen?“
Als wir das Thema festgelegt haben ahnten wir nicht, wie aktuell es werden würde.
Unter dem Titel „Leitkultur für Deutschland – was ist das eigentlich?“ hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière jetzt einen 10-Punkte-Plan in der BILD am SONNTAG vom 30.4.17 verfasst. Er wolle damit zur Diskussion einladen, schreibt er. Das ermutigt mich zu einigen offenen Anfragen.
Punkt 1 beginnt de Maizière mit den Worten: „Wir legen Wert auf einige soziale Gewohnheiten. … Wir sagen unseren Namen. … Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka.“ – Warum, so möchte ich den Bundesinnenminister fragen, bleiben dann die Außenstellen des BAMF, in denen Flüchtlinge zur Anhörung gebeten werden, völlig ohne erkennbare Beschilderung? Kein Hinweis, noch nicht mal ein Zettel im Fenster, weist auf eine Bundesbehörde hin. Von den Bediensteten bekommt man die Auskunft, das sei mit Absicht so, „auf Anweisung von oben“. Eine Bundesbehörde, die nach außen völlig anonym bleibt und als solche absolut nicht erkennbar ist? Wie war das, Herr Minister, – „wir zeigen Gesicht. Wir sind nicht Burka“?
In Punkt 3 nennt der Minister den Leistungsgedanken als grundsätzlich für Deutschland. „Wir sehen Leistung als etwas an, auf das jeder Einzelne stolz sein kann!“ Es dürfte auch Thomas de Maizière nicht entgangen sein, dass in den vielen Flüchtlingsinitiativen im Land viele Bürger ehrenamtlich engagiert sind. Wie auch bei uns erteilen sie Flüchtlingen Deutschunterricht und setzen sich dafür ein, dass sie Arbeit finden. Nur zählen leider gute Deutschlenntnisse und eine Lehr- oder Arbeitsstelle nicht zum Bleiben in Deutschland. Auch Menschen, die zuverlässig einer Ausbildung und Arbeit nachgehen werden u.U. abgeschoben, sogar nach Afghanistan. Weil es kein Einwanderungsgesetz gibt, in dem die Leistung zählt.
Gilt der Leistungsgedanke nicht für Flüchtlinge?
„Warum, Herr Minister,“ so möchte ich fragen, „schaffen Sie nicht endlich ein Bleiberecht für die, die unsere Sprache gelernt haben und fleißig arbeiten? Damit Menschen auch ohne anerkannte Asylgründe sich eine Zukunft in Deutschland aufbauen können? Warum gibt es immer noch kein Einwanderungsgesetz?“
„Christlich“ ist unser Land heute nicht allein wegen der vielen Kirchtürme. (Punkt 6) Christlich ist vor allem gelebte Nächstenliebe. Christen und Vertreter der großen Kirchen, (der Papst!) und der Wohlfahrtsverbände mahnen zu einer anderen, menschenfreundlicheren Asylpolitik in Deutschland und in der EU. Die Asylpolitik muss deutlich erkennbar das Grundgesetz, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die UN-Kinderrechtskonventionen respektieren und umsetzen. Die Veränderungen im Asylrecht, die in den letzen zwei Jahren von der Bundesregierung vorgenommen wurden, liefen erkennbar nur auf eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen hinaus. Und das ging auf Kosten der Menschenrechte: Zum Beispiel wurde der Familiennachzug erheblich eingeschränkt, obwohl nach Artikel 6 des Grundgesetzes „die Familie Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat hat“.
Ich bin in Deutschland geboren. Dafür kann ich nichts. Ich bin in Deutschland zur Schule gegangen und habe Goethe gelesen, und an manchen Orten habe ich Heimatgefühle.
Ich bin mir aber sicher, dass unter dem Dach des Grundgesetzes auch Menschen aus anderen Kulturkreisen in Deutschland Platz haben, Menschen, die Hafis gelesen haben und die Heimat mit anderen Gefühlen verbinden als ich. Man muss sich nicht erst auf eine Kultur einigen, um gemeinsam in einer Demokratie leben zu können. In einer Demokratie ist Platz für viele Kulturen unter dem einen Grundgesetz.
Unter dem Dach des Grundgesetzes, wo Männer und Frauen die gleichen Rechte haben, jeder seine Religion frei wählen darf und seine Meinung äußern darf, darf jeder auch seine mitgebrachte Kultur leben.
Wir brauchen eine Debatte um kulturellen Respekt und nicht um „Leitkultur“. Das Grundgesetz ist „Leitkultur“ genug, wenn es denn in behördlichem Handeln deutlich umgesetzt würde.
„Die Würde jedes (!) Menschen ist unantastbar!“
Cornelia Seng